Himmel und Hölle – per Rad durch Nordthailand

Es ist ein sehr trüber Geist, der die Welt überzieht. Die meisten Menschen bleiben in ihrer Aufmerksamkeit hiervon jedoch scheinbar unberührt. Sie bemerken es nicht. Wie sollten sie auch – es ist ihr eigener Geist, der die Welt mit Smog verpestet. Smog eingetrübter Geister, sichtbar überall. In gelber Luft, die jedes Blau aus der Atmosphäre saugt, in vermüllten Meeren, wo all der sinnfreie Wohlstandsabfall endet; im Zorn der Mutter Erde, die immer häufiger die Stürme und Desaster über die Erde schickt. Ein tragisches Spiel ist längst etabliert. Das Schauspiel der Wende, das Versagen vor die Vernunft stellt, den Kollaps vor den Wandel, unverfrorene Impertinenz sich von jeder Einsicht wendet, nur um dem kleinen, begierigen Ego etwas Befriedigung zu bescheren. Eigentlich ist es ein doch auch lustiges Spiel kleiner Kinder, in dem die menschliche Spezies der Erde einen ernsthaften Untergang beschert.

Die Befürchtung hierbei ist, dass es erst noch viel schlimmer werden wird, bevor die Einsicht soweit reift, dass schlüssiges Handeln aus ihr gedeihen kann. Nein, diese Menschheit wird erst noch zur Einsicht gezwungen werden, ein epochales Maß an Leid über sich ergehen lassen müssen.

Nicht zunächst ist es ein körperliches Leid, viel weiter trägt uns diese Zeit. Mentales Leid durchfährt den Menschlichen Geist alsbald. Wenn er beginnt zu erkennen, sich seiner Versäumnisse zu stellen hat. Die Evolution lässt keine Stufen aus, das Individuum hat all die Schritte zu durchlaufen. Längst ist es nicht an der Zeit, die Menschheit vom Leid zu befreien. Leid ist das Mittel der Besinnung. Eine unbesonnene Welt ist längst noch darauf angewiesen – und nun beginnt das Leben im Veränderungsdruck zu explodieren…

Die Idee war gewesen, einige tausend Kilometer auf dem Fahrrad durch Asien hinter mich zu bringen. Zwischenzeitlich pausiere ich in nun Bangkok – einmal mehr – um meinem Körper eine ersehnte Pause zu gönnen. Und mit zu überlegen, wohin mich die Reise von hier aus führen will. Viele Berge waren es gewesen, die geduldige Beine treten wollten. Wunder des Lebens und herrlichste Erlebnisse bescherten mir die ersten Etappen.

Der Norden Thailands kann wundervoll sein. Wenn sich morgens dichter Nebel öffnet und in den blauen Himmel blicken lässt. Welch eine Pracht war einst doch der Mekong, bedenke ich, dass er, obwohl längstens vergewaltigt, ausgebeutet und gefleddert, mich noch immer in Leichtigkeit betört. Wie reich entlohnend sind die Mühen, die wundersamen Fügungen des Schicksals, die am Rande immer wieder die Reise zu eine Bewegung viel höherer Natur anschwellen lassen. Sich selbst zu überwinden kann zu einer steten, und durchaus vielschichtigen Übung werden.

Doch aus sich motiviert, und durch sich selbst ins Leben getragen, gibt es letzltich kein Versagen.

Im Nachhinein waren noch keine Mühen zu viel, keine Ambitionen zu hoch gewählt, keine Gedanken zu abstrus gewesen, sofern ich mir gewissenhaft und konsequent selbst folgte. Das Leben richtet sich, und beginnt mich in seinen Rhythmen zu betten. Welch ein Wunder ist das Leben. Es ist jenes wahrhaftige Wunder, das wir einst aus trüben Geistern formten.

Im Grunde entlohnt jeder einzelne Meter Neuland, den ich radelnd aus der Unkenntlichkeit aufdecken darf. Jeder Ort schreibt seine eigenen Geschichten, erhebt in mir eigene Gefühle und Gedanken, fordert seine eigenen Tribute von mir ab. Grausam kann der Wind sein, über viele Kilometer leicht steigend ganze Bergrücken hinauf. Und noch grausamer die steile Abfahrt danach, die all die Mühen wie in einem Moment in sich vertilgt, um mich an einen nächsten Berg gleich wieder in den unnachgiebigen Wind zu stemmen. Grausam ist die App, reihen sich dort, wo nach dem Höhernprofil am Display sanfte Ebenen die Räder rollen lassen sollten, in Wirklichkeit steile Bergrücken aneinander. Doch selbst an die kleinsten Gänge möchten sich die Beine gewöhnen… . Oft ist es bisweilen der Geist, der sich zuerst erschöpft zeigen möchte.

Alles ist doch nur das Leben – stets wartet die Banane zur rechten Zeit, findet sich ein Ort der Regeneration inmitten netter Menschen an einem angenehmen Platz. Die Belohnung ist allgegenwärtig. Noch immer fand die Plackerei ein wundervolles Ende. Es benötigt doch nur ein gewisses Maß an Vertrauen und Selbstdisziplin. Wenn wir ehrlich zu uns sind, ist sich das Leben nicht zu schade, uns angemessen auf sich zu tragen. So folgt auf jeden Sturm die Ruhe.

Wenn dann am nächsten Morgen der gleich heftige Wind anstatt die Berge hinauf zu bremsen, sich wie ein aufgeblähtes Segel von hinten über mich spannt und durch die Ebenen die Kilometer unter mir verbrennt. Alles ist Teil der Reise, die mich einlädt, sie zu wählen.

An jene Punkt jedoch, an dem die Luft nach Rauch und Asche riecht, der Himmel grau wird und der Horizont sich in einem grauen Schleier fängt, an dem die Sonne längst nicht mehr strahlt sondern lediglich noch ein oranger, braun verfärbter Kreis verbleibt, nicht stark genug, sich durch die Trübe hindurch zu kämpfen, ist es an der Zeit die Richtung zu wechseln. Spontan unterbreche ich die Reise und wähle den Zug. Strapazierte Lungen werden mir danken.

Aus dem Himmel falle ich in jene reale Hölle, die sich in Feinstaub, Rauch und Industrieabgas über weite Teile unseres blauen Tranten zieht.

So raste ich in Bangkok, ziehe die Klimaanlage dem freien Himmel vor. Das Leben in etwas ähnlichem wie der Natur ist ein Spießrutenlauf geworden. Gut, dass ich flexibel bin. Und bereit, den Wendungen des Lebens zu folgen. Ein besserer Ort als dieser gerade hier wird sich demnächst finden. Leider ist es für mich zunehmend eine Notwendigkeit geworden, genau in meiner Wahl zu sein. Zu schlechte Luft ist ein Ausschlusskriterium geworden, das die Erde längst schon viel kleiner werden lässt. Genügend Erfahrung durfte ich in Smog verpesterer Luft bereits sammeln: Malaysia, Nepal, India….

In einem nächsten Himmel werden Beine unter mir beharrlich strampeln, und mein Geist sich an nächsten Lebensetappen erfreuen.


Die Etappen:

Chiang Mai – Chiang Dao – Tha Ton – Mae Sai – Chiang Khong – Phu Chi Fa – Pu Lang Ka – Nan – Ban Pa Pao – Ban Nam Pat – Nakhon Thai – Phechabun – Phaisali – Nakhon Sawan

ca. 1400 Km, genügend Hm